HHStAW = Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
LHAK = Landeshauptarchiv Koblenz
Protokolle des Amts und Gerichts Nievern
Aufgabe: Protokollieren von Rechtsvorfällen
Zeitraum: 1690-1807 (mit Lücken)
Inhalt:
- Schuldforderungen (meistens von Juden)
- Erbschaftsstreitigkeiten
- Pacht- und Grundstücksangelegenheiten
- Holzfrevel
- Weideschäden
- Diebstahl
- Beschimpfungen und tätliche Angriffe
- herrschaftliche Erlasse
- Sonstige
Amtsprotokolle (AP) sind nach den Kirchenbüchern die zweite wichtige Quelle zur Informationsgewinnung, zeichnen sie doch ein sehr realistisches Bild der damaligen Zeit. Die AP werden in der gräflichen Kanzlei in Koblenz geführt, zeitweise auch beim Kirchspielgericht selber und zwar an den jeweiligen Gerichtstagen einmal im Monat. Sie werden zunächst in Heften geführt, in die die Rechtsvorfälle chronologisch eingetragen werden, später existieren dann auch gebundene Ausgaben. Teilweise sind die einzelnen Vorfälle auch nur auf losen Blättern, meistens einmal längs gefaltete Kanzleibögen, erhalten.
Die zu verhandelnden Dinge werden dem Amtsverwalter (als Richter) auf zwei Arten zugetragen
- durch Anzeigen
- durch Suppliken
Anzeigen erfolgen schriftlich oder mündlich durch den Schultheißen, einen Gerichtsschöffen oder den Kläger selbst.
Suppliken sind vom Untertanen selbst ausgehende (meist fremdgeschriebene) Bittschriften, über die entschieden wird. Diese sind oft undatiert und tragen lediglich den Präsentationsvermerk, wann sie in Koblenz zugestellt wurden. Die Suppliken liegen verstreut in den jeweiligen Beständen in Koblenz und Wiesbaden. Siehe hierzu im Bestand 48 des LHAK die Nrr. 2221 (Mikrofilm Nr. 85) und 2542 (unverfilmt), in denen speziell Suppliken (meist Heiratserlaubnis und Einbürgerung) oder die Berichte der Amtsverwalter aufgrund der Suppliken an den Grafen von der Leyen gesammelt sind.
Erfolgreich verhandelte Rechtsvorfälle münden in einen herrschaftlichen Beschluß, „decretum“ oder „resolutum“ genannt.
Ist es notwendig, daß Kläger und Beklagter für die Verhandlung zugegen sind, werden vom Amtsverwalter Vorladungsmitteilungen (meistens auf Zetteln) erstellt und durch den Gerichtsdiener oder auch einen Gerichttschöffen im Kirchspiel Nievern gerichtlich zugestellt oder eingereicht („insinuiert“).
Was die Suppliken angeht, fehlen die Entscheidungen darüber manchmal, werden aber meistens mit einem „decretum“ versehen und wieder zurückgeschickt, teilweise findet sich auch nur die lapidare Notiz „abgeschlagen“.
Zeitraum | Umfang | Standort | Bem. |
1690-1694 | fol. 1-62 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. I |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1716-1725 | fol. 1-40 (fol. 23-40 leer) |
HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. II |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1726-1740 | fol. 1-91 (fol. 83-91 leer) |
HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz.III |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1726-1732 | 84 Bll. unfoliiert | LHAK Best. 48 Nr. 2210 [Fasz. I] Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt am Gericht in Fachbach vom 14.05.1726 – 09.07.1727 |
1727-1732 | 36 Bll. unfoliiert |
LHAK Best. 48 Nr. 2210 [Fasz. II] Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt beim Gericht in Fachbach vom 09.07.1727 – 22.03.1732 |
1741-1746 | fol. 1-18 (fol. 11-18 leer) |
HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. IV Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1750-1754 | 48 Bll. unfoliiert |
LHAK Best. 48 Nr. 2210 [Fasz. III] Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz vom 23.12.1750 – 02.12.1754 |
1754-1759 | unfoliiert | LHAK Best. 48 Nr. 2211 [Fasz. I] Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz vom 04.12.1754 – 05.11.1759 |
1759-1761 | unfoliiert | LHAK Best. 48 Nr. 2211 [Fasz. II] Mikrofilm Nr. 84 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz vom 06.11.1759 – 01.12.1761 |
1761-1762 | unfoliiert | LHAK Best. 48 Nr. 2211 [Fasz. III] |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz vom 01.12.1761 – 22.10.1762 |
1765-1768 | fol. 1-172 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. Vb |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1768-1769 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f 4,2 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz; 1 Band | |
1775 | fol. 1-58 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. Va |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1776-1777 | fol. 1-172 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. Vb |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1771-1780 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f 4,3 |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz; 1 Band | |
1783-1787 | fol. 1-172 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. Vb |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1792-1807 | fol. 1-153 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. VI |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1803 | fol. 1-59 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. VII |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz |
1806-1807 | fol. 1-262 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. VIII |
Protokolle geführt bei der Amtsverwaltung in Koblenz; 1 Band mit Register |
1725-1782 | fol. 1-182 | HHStAW Abt. 3/3 Nr. f ½ Fasz. IX |
Verschiedene AP und Suppliken *) |
*) 1725, 1731, 1733, 1734, 1735, 1736, 1737, 1740, 1741, 1742, 1743, 1744, 1747, 1757, 1758, 1768, undatiert
Beispiel für den Ablauf eines Rechtsvorfalls anhand der Prozesskostenaufstellung des Jost Adam Finckelmeyer 1734 (HHStA Wiesbaden, Abt. 3/3, Nr. f 5, Faszikel VI, fol. 6 r/v)
Spezifikation der Unkosten, so Jost Adam Finckelmeyer in Prozess-Sachen gehabt gegen Hubertus Schleimer
- Den 26ten Maii einen Brief bei Herrn Weckbecker machen lassen, ihn sogleich zum Herrn Advokaten angenommen, ’zahlt 2 Rtl. Selbigen Brief abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang nach Koblenz 9 alb.
- Den 31ten Maii noch einen Brief machen lassen an Hubertus Schleimer. Selbigen abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für den Gang nach Koblenz 9 alb.
- Den 32ten Maii [= 1. Juni] auf Befehl des Herrn Advokaten dem Michel de la Tour zwei Schöffen geschickt um zu fragen, warum er die zwei Stücker obig Nievern, welche des Jost Adams Frau wären, nicht ackern täte lassen; selbigen geben 12 alb.
- Den 4ten Junii unsere Briefe in leyenschen Hof bringen müssen. Für selbigen Gang 9 alb.
- Den 7ten Junii zu Koblenz bei Herrn Amtsverwalter einen Eid müssen schwören. Für den Gang 9 alb.
- Urteilgeld ’zahlt 36 alb.
- Den 10ten Junii ein Dekret bekommen, daß Schöffe Auster den Teilzettel solle bringen. Selbiges Dekret und Brief abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Den 15ten Junii hat Schöffe Auster den Teilzettel nach Koblenz getragen. Für meinen Gang ‚zahlt 12 alb.
- Den 23ten Junii einen Brief machen lassen, ein Dekret bekommen, die Akten einzuliefern. Selbiges abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Er Hubertus [Bertus] Schleimer nicht pariert und noch einen Brief machen lassen. Selbiges abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Er doch nicht pariert; ein anderes Dekret auf ein Goldgulden Strafe, seine Sache einzubringen. Schreiblohn und zu insinuieren 6 alb.
- Den 2ten August einen Brief machen lassen; ein Dekret bekommen, wenn er noch etwas einzubringen, soll er es bringen. Solches abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Den 9ten August einen Brief machen lassen und ein Dekret zugestellt, dass beide Teile sollen nach Koblenz den 12ten kommen. Solches abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Den 25ten August mit Schöffen Schleimer zu Koblenz gewesen und jeder erlegt 36 alb. Für meinen Gang 9 alb.
- Damals dem Gericht einen Brief zugestellt, abzuschreiben und zu insinuieren 9 alb.
- Den 28ten September dem Gericht, wie auch Hubertus [Bertus] Schleimer, jedem einen Brief zugestellt, das Urteil anzuhören, beide Briefe abzuschreiben und zu insinuieren 18 alb.
- Den 30ten September das Urteil angehört und ’zahlt 36 alb. Damals für meinen Gang 9 alb.
- Herrn Advokat für alle gehabte Mühe und Schreiblohn 3 Rtl. 18 alb.
Summe: 6 Rtl. 48 alb.
Letztes Update: Oktober 2016
Ralph Jackmuth