Vorbemerkungen

Projekt: Edition der Rechnungen der Kellerei Diez und Hadamar unter Graf Johann IV. und Johann V. von Nassau-Dillenburg im Zeitraum 1451-1516


1 Motivation

Immer wieder zeigt sich der reiche Informationsschatz, den Kellereirechnungen für Personen, Orte und auch die Geschichte der Landesherren selbst zu bieten haben und es verwundert, dass bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist, diese zu edieren. Kellereirechnungen (KR) sind jährlich wiederkehrende Rechnungen, die ein Kellner (oder Keller) seinem Landesherren über die Einkünfte und Ausgaben in einer Kellerei erstellt. Die nassauischen Herrscher hatten ihre Territorien in kleinere Finanzverwaltungen, sogenannte Kellereien unterteilt, die mit dem Kellner an deren Spitze die Form der spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Finanzverwaltung darstellen. Für die Grafschaft Nassau-Dillenburg sind dies im 15./16. Jh. die Kellereien Siegen, Dillenburg, Diez, Hadamar und Ellar. Während die Rechnungen für Dillenburg, Diez, Hadamar und Ellar in der Abt. 190 (Nassau-Oranische Rechnungen) des Hess. Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden zusammengefasst sind, finden sich Rechnungen der Kellerei Siegen vereinzelt in der Abt. 171 (Altes Dillenburger Archiv).


2 Zeitliche Überlieferung

Die Rechnungen der Kellerei Dillenburg sind ab 1444 überliefert und weisen im 15. Jh. Lücken von 1445-1456, 1459, 1462, 1477 und 1496 auf. Für Hadamar und Diez beginnt die Überlieferung 1451 (wobei jedoch schon vorher Rechnungen geführt wurden), weisen aber unterschiedliche Perioden in den Lücken auf. So sind die Rechnungen für Diez bis 1500 außerordentlich gut überliefert und weisen nur Lücken für 1455, 1472, 1481 und 1485 auf. Für Hadamar bestehen leider erhebliche Lücken und zwar von 1452-1457, 1459-1462, 1485-1488 und 1490-1508. Die Rechnungen der Kellerei Ellar sind ab 1499 als eigene Serie überliefert, finden sich aber vorher schon vereinzelt in den Rechnungen der Kellerei Hadamar, so z. B. die früheste in der KR Hadamar von 1451.


3 Territorium der Kellereien Diez und Hadamar

Die Kellerei Diez umfasste das Territorium der ehemaligen Grafschaft Diez. Es umfasst die sechs sogenannten „Westerwälder Kirchspiele“ oder „Kirchspiele „jenseits der Lahn“, die im Diezer Vertrag von 1564 fast vollständig an Trier abgetreten wurden, Hundsangen, Nentershausen, Meudt, Salz, Rotenhain (früher Rotzenhahn), Höhn und Rennerod. Dann die sog. Kirchspiele „diesseits der Lahn“ und zwar Diez, Lindenholzhausen, Hahnstätten, Flacht, Dauborn, Fachingen (teilweise) und die Dehrner Zent. Im Gegensatz dazu ist das Einzugsgebiet der Kellerei vergleichsweise klein, umfasst es doch nur Hadamar und die sog. „Vier Zente“, also die Kirchspiele Niederzeuzheim, Frickhofen, Lahr und Elsoff.


4 Erste Beobachtungen zum Rechnungsaufbau

Die Rechnungen gliedern sich grob in eine Geld-, Frucht-, und Endabrechnung. Die Geldrechnungen bestehen aus einem Einnahme- und Ausgabenteil, der wiederum in einzelne Rubriken aufgeteilt ist. Diese Rubriken werden von den Kellnern jedoch unterschiedlich vergeben. So kennen beide Kellereien Einnahmen von Zinsen, Zöllen, Mai- und Herbstbede, Verschiedene Einnahmen- und Ausgaben oder Botenlöhne, weichen aber sonst in der Rubrizierung voneinander ab. So finden sich in den KR Diez z. B. Einnahmen aus Herberg-, Bann-, Fleisch- und Pfingstkuhgeld sowie aus der Fischerei, die in den KR Hadamar fehlen, da sie nicht existieren. Die Besoldung der Amtleute wird in den KR Hadamar unter „Burglehen“, in Diez unter „Manngeld“ geführt. Die Entlohnung des Kellereipersonals findet sich in den KR Diez bis 1463 unter einer eigenen Rubrik „Gesindelohn“ und wird ab 1464 unter „Verschiedene Einnahmen“ gruppiert. Hierzu zählt nicht nur der Kellner, sondern auch die Küchen- und Fegemagd, der Turmhüter, Bender, Metzger, Bäcker, Schmied, Steindecker, Wingertknecht, Schweine- und Kuhhirt. Die Kellerei Hadamar kennt z. B. für 1463 nur Ausgaben für den Kellner, Turmhüter und Pförtner. Allein hier zeigt sich schon die Größe der Kellerei Diez, die im Gegensatz zu Hadamar einen größeren Küchenbetrieb und auch Weinanbau hat. Die Ausgaben hierfür werden unter der Rubrik „Ausgaben für die Küche“ und „Ausgabe für Ernte und Herbst (teilweise auch unter „Verschiedene Ausgaben“) geführt. In Hadamar erscheinen diese Ausgaben und „Zehrung“ bzw. „Verschiedene Ausgaben“. Für Bautätigkeiten und Reparaturen existiert in der KR Hadamar eine eigene Rubrik „Baukosten“, die in Diez meist unter „Verschiedene Ausgaben“ fallen. Die Fruchtrechnungen beider Kellereien nennen Korn, Weizen, Erbsen und Hafer in der gleichen Reihenfolge, wobei sich in Diez am Ende die Weinabrechnung findet; Gerste wird genannt, aber oft nicht angebaut. In den KR Diez sind die Fruchtarten für sich abgeschlossen, d. h. auf die Einnahme- folgt direkt die Ausgaberechnung. Diese Praxis lässt sich in Hadamar nicht konsequent beobachten. Nach der Fruchtrechnung folgt in den KR Hadamar in den 1460er Jahren eine Rechnung über den nass. Anteil an Einkünften in Geld und Frucht aus der Kellerei Limburg bzw. auch Ausgaben. Eine zeitliche Auswertungen dieser Rechnungen muss noch erfolgen. Abgeschlossen werden die Rechnungen von einer Endabrechnung, die wohl am Tage der Rechnungsabhörung von einer anderen Hand als der des Rechnungstextes niedergeschrieben wurde. Hierbei wird jeweils für Geld und Fruchtart ein Überschuss oder Verlust ermittelt und mit dem Vorjahreswert verglichen. So beträgt bspw. in der Kellerei Hadamar der Gesamtgewinn der Geldrechnung für 1463 84 fl. 3 tn. 2 ½ hlr., für 1462 wurde aber ein Verlust von 60 fl. 10 tn. 5 ½ hlr. erwirtschaftet, sodass der neue Gewinn für 1463 lt. KR nur noch 23 fl.4 tn. 6 hlr. beträgt. Nach Prüfung müssten es jedoch 3 hlr. mehr sein. Ansonsten sind alle Summen und Differenzen der ganzen Rechnung korrekt berechnet. Die bisher ausgewerteten Diezer Rechnungen zeigen ebenfalls mitunter Differenzen in Endsummen, sodass diese Rechnungen nicht zwingend alle korrekt sein müssen.


5 Informationsgehalt der Kellereirechnungen

5.1 Personen- und Verbrauchsteuern

Als wichtigste Quelle zu einzelnen Personen erweisen sich die Bedelisten der einzelnen Orte. Die Bede ist eine Abgabe bzw. Steuer, die alle verheirateten männlichen Personen (Haushaltsvorstände) jährlich zu zahlen haben und die sich nach der jeweiligen Vermögenssituation des Zahlenden richtet, vermögende Personen zahlen also eine höhere Bede als ärmere. Die Bede wurde zweimal im Jahr erhoben und zwar im Mai und im Herbst. Aus der Kellerei Diez liegen solche Personenlisten ab 1486 vor. Vorher wurden die Orte summarisch abgerechnet. In der Kellerei Hadamar findet sich die gleiche Praxis. Leider hat sich hier durch die große Lücke von 1490-1508 für das 15. Jh. nur die Bedeliste aus dem Jahr 1489 erhalten. Um einen jährlichen Überblick über die Steuerzahler in der Kellerei zu haben, bot sich die Auflösung der Bede nach Personen an, da diese Abgabe von allen männlichen Haushaltsvorständen gezahlt wird. Ob dies durch eine landesherrliche Anordnung geschah, ist unklar. Eine weitere Abgabe mit Personenbezug ist das sog. Besthaupt, das bei Tod eines Steuerpflichtigen fällig wird. Ursprünglich das beste Stück Vieh im Stall, war die Abgabe im 15. Jh. nur noch ein Geldbetrag, der sich wie die Bede ebenfalls nach der Vermögenssituation des Steuerpflichtigen richtete und aus heutiger Sicht eine Art Erbschaftssteuer darstellt. Auch hier werden die jeweiligen verstorbenen Personen in den einzelnen Orten genannt. Oft findet sich dann in den Bedelisten ein Gegenvermerk, dass die Person verstorben ist und dann im Folgejahr nicht mehr geführt wird. Nimmt man das erste Auftauchen einer Person in einer Bedeliste als ungefähres Heiratsjahr und das Ausscheiden aus der Liste als Todesjahr, lässt sich schon eine grobe Lebensspanne für die jeweilige Person ermitteln. Wenn Patronyme im Personennamen mitgeführt werden, lässt sich im Einzelfall eine Filiation über zwei oder drei Generationen ermitteln. Ein weiterer Personenkreis sind die sogenannten „Eigenleute“, also Personen, die dem Grafen vollständig leibeigen sind. Hier finden sich in der KR Hadamar von 1463 schon 13 namentlich genannte Personen, in der KR Diez erscheinen 1468 die ersten vier Personen. Neben den Personensteuern existiert auch schon eine erste Verbrauchssteuer. Die KR Hadamar 1463 nennt drei Wirte, die das so sogenannte Ungeld für Wein- und Bierausschank zahlen.

5.2 Aktivitäten innerhalb der Kellerei

Die Ausgaben für die Küche oder Zehrung, die Botenlöhne und die Baukosten liefern einen interessanten Einblick in zeitliche Geschehnisse. So werden Ankunft und Abreise der Amtleute, mitunter auch des Landesherren selbst vermerkt und alle Bewirtungskosten genau verrechnet. Graf Johann V. benutzt z. B. die Burg Diez oft als Zwischenstation zu weiteren Fahren nach Ems ins Bad oder zur Rheinfels. Solche Ereignisse stellen natürlich eine große Veränderung zum normalen Kellereibetrieb dar und die Burg Diez fungiert mitunter gewissermaßen als eine Art Hotel. Oftmals werden aber für Übernachtungen und Bewirtungen auch die Burgmannenhäuser in Diez benutzt und nur das Gesinde hält sich auf der Burg auf. Weitere Informationen hierzu liefern auch die Korn- und Haferausgaben, da bei diesen Aufenthalten auch mehr Brot gebacken wird und Pferde gefüttert werden. Die Botenlöhne beinhalten meistens Briefbeförderungen. Fast immer wird der Zielort, der Adressat und manchmal auch der Betreff angegeben. Die Baukosten verzeichnen neben den routinemäßigen Reparaturen wie z. B. das Decken von Dächern mit sog. Schauben (Strohgarben), auch die Errichtung ganzer Gebäude. So finden sich in der KR Diez 1459 z. B. „Ausgaben, als man das Haus auf dem Wasen machte“.

5.3 Wirtschaftlichkeit und Wetterphänomene

Aus den Fruchtlieferungen der einzelnen Höfe, die zur Kellerei gehören und auch aus dem Weinanbau in Diez lässt sich die Wirtschaftlichkeit über die Jahre hinweg ablesen. So betragen die Einnahmen aus Wein z. B. für 1451: 2 Fuder, 1452: 12 Fuder, 1453: 8 Fuder, 1455: 4 Fuder, 1456 6 Fuder, 1457 1 Ohm. 1458: 4 Fuder, 1459: 4 Ohm, 1460: kein Wein, 1461: 3 Fuder 1 Ohm 15 Viertel usw. Man erkennt, dass solche Angaben auch aus meteorologischer Sicht interessant sind, wenn Wetterphänomene nicht direkt genannt werden, wie in den KR Diez 1468: „Item als man das Heu in der Grafenau machte und es regnete jeden Tag, sodass man das Heu 3 oder 4 mal machen musste und da wurde gegessen 1 Ml. Brot (Jte[m] do mann das hauwe machte jn Grebenauwe vnd iß reende diecziht allen tagk, so das mann das hauwe drue ad[er] iiij male moiste machen vnd do wart gessen j mald[er] broits), 1470: „Item habe ich gekauft 1000 Decknägel, als der Hagel die Dächer zerschlagen hat (Jt[em] han ich gekaufft duse[n]t decke nele als der hale dij decher czu slan hatt) oder 1473: „Einen Decker, der zu zweit war und das Dach der (Burg-)kapelle deckte, als der Wind das Dach zerbrochen hat, vier Tage gehabt, zum Anteil von Graf Johann IV.“ (Jt[em] gehait eyn deck[e]r selband[e]r fijer dage, der dije cappel decket, als der wint daiß dach czu brach[e]n hatt, my[m] jon[ckern] czu sym deyll).


6 Orts- und Personenindex

Mit Beginn der Übertragung der KR Hadamar 1463 wird ein Orts- und Personenindex aufgebaut, der ständig erweitert wird.


7 Transkriptionsgrundsätze

Der Text erscheint in Kleinschreibweise (außer Satzanfängen, Personen- und Ortsnamen), mit allen aufgelösten Abkürzungen und gegliedert nach heutigem Interpunktionsverständnis. Nur die römischen Ziffern und Maßeinheiten wurden der besseren Lesbarkeit in arabische Ziffern und heutige Abkürzungen übertragen, z. B. 4 Ml. statt iiij m[a]ld[er]. Sonst wurden keine Eingriffe in den Text vorgenommen, d. h., die Allographen <u – v – w> des Graphems <u> wurden genauso beibehalten wie <i – j – y> für <i>. Diakritika wie übergeschriebene Dehnungsvokale sind dem Vokal nachgestellt, da diese nur von speziellen Schriftsätzen wiedergegeben werden können, hier aber der Einfachheit halber keine Verwendung finden. Komposita verbleiben wie im Original oft getrennt. Datumsauflösungen sind dem Originaldatum in eckigen Klammern nachgestellt. Verschriebene, gestrichene, verderbte und eingeschaltete Wörter sind in Fußnoten angemerkt, nicht entzifferte Wörter werden mit … gekennzeichnet.


Letztes Update: 23. Oktober 2017
Ralph Jackmuth