Ems – Quellen zu Leporinus 2

Eigenmächtige Ernennung von Kirchensenioren durch Pfarrer Leporinus
HHStAW, Abt. 170 III (Korrespondenzen), Nr. 1549, fol. 24r-27v


Ems 1715 Januar 12

[fol. 24r] Hochedelgebohrne und gestrenge, meine hochgeehrtiste Herren!

Der gemeinschafft[liche] Pfarrer in Embß Ehrn Leporin[us] hat sich unterstandten, ohnlängst vier neue Kirchen-Seniores, ohne mihr davon den geringsten Post zu geben, in der Gemeinschafft Embß in aller Stille vor sich allein und ohne Beyseyn odter Consens derer ubrigen Senioren zu erwehlen, auch sogar, welches nie erhört, in Pflichten zu nehmen. Da nun dergleichen Actus-Verrichtungen keinem gemeinschafft[lichen] Pfarrer in der Gemeinschafft Embß zukom[m]en, besondern die iedesmahl zu bestellen geweßene Seniores und denen in officio annoch gestandenen Senioren auß der Gemeinde gewehlet und so dann denen zeitlichen Vögten oder dem Ambt p[rae]sentirt und vorgeschlagen worden sind, welche so dann, wann wegen g[nä]d[ig]sten Landsherrschafften oder der vorgeschlagenen Personen dargegen nichts einzuwenden geweßen, dieselbe in beederseits hochfürst[lichen] Landsherrschafften Nahmen in Pflichten [fol. 24v] genommen worden sind, gleich wie solches die noch von 20 Jahren her ungefehr in Kirchen-Seniorats-officio stehende Unterthanen nahmens Claß Schupp und Jacob Zimmerschiedt deponirt haben, so habe nach Endigung des den 11ten [Novem]ber a[nn]i praet[eriti] gehaltenen monat[lichen] Bettag pastori diesen seinen begangenen Unfug und den m[einer] g[nä]d[i]sten Herrschafft de[n] novo hierunter erwiesenen Nachtheil vorgehalten, auch da wir leyder! mehr alß zuviel bekandt, dießeitige iura episcopalia von hochfürst[licher] Mitherrschafft bißher sehr gekränket worden sindt und täg[lich] mehr und mehr vernachtheiliget werdten wollen, auch dieses des pastoris attentatum mit der mitherrschafft[lichen] Intention gewiß[lich] entreméliret und er, wie es mihr, so wohl alß dem H[errn] Inspectori Vigelio bekand ist, und sonst deßen, alß auch meinen Antecessoren bekand geweßen, auff die mitherrschafft[liche] mehr, alß nicht auff dießeitig herrschafft[liche] Seythe ob favorem religionis, auch wohl anderer Ursachen wegen hänget, obwohlen er m[einer] g[nä]d[i]gsten Herrschafft seine Erhaltung dahier, nachdeme er vor 10 a 12 Jahren von mittherrschafft[licher] Seythen von hier auff eine schlechte und so zu sagen Poenitenz-Pastorey dem Vernehmen nach wegen seines damahls [fol. 25r] geführten unordentlichen Lebens translocirt werden wollen, bloß allein zu dancken hatt, diese Annehmung vor nichtig declarirt und sämbtlichen vermeintlich neuen Kirchen-Senioren bey Straff 50 R[eichsthaler] inhibiret, biß auff nähere dißeitig-hochfürst[liche] Verordnung sich dergestalten nicht gebrauchen zu laßen. Es ist aber Pastor bey angelegt- dießem Ge- und Verbott weiters so effronté geweßen, daß er nicht allein sich solchem wiedersetzet, besondern auch denen ged[acht]en vermeint[lich] neu aufgenommenen Senioren mit deutlichen Worten doegegen gebotten, meinem gethanen Ge- und Verbott keinen Gehorsamb zu leisten, allermaßen ich consquenter ein naßau-dietzischer Beamtter in der Kirche nicht das allergeringste zu gebiethen oder zu befehlen hette, weßhalben dann ich die Anwesende erinnert diese Reden wohl zu behalten und allenfalß darvon Urkundt zu geben.

Obzwarn ich nun biß anhero gehoffet, es würde gem[elte]r gemeinschafft[licher] Pfarrer diesen seinen Unfug und begangene sträff[liche] Übereylung erkennet, bereuet und dordurch Verantworttung und weitere Verdrießlichkeit evidiret, die vermeint[liche] [fol. 25v] modo illegali creirte neue Seniores, welche in lauter Junioren und die zum Theil kaum das 30te, theilß nicht viel mehrere Jahre erreichet, dem dießeitigen Gebott zufolge dimittiret, eine Observantz und rechtmäßige Election in P[rae]sentz beeder fürst[lichen] Beambten angetragen und solche von denenselben nahmens beeder g[nä]d[i]gsten Herrschafften in Pflichten zu nehmen begehret haben, so hat er aber das gantze Contrarium gezeiget und vorgem[elte] vermeint[liche] neue Seniores auff denen monat[lichen] Bettägen in tali qualitate zu compariren, disponirt und obligirt, folg[lich] dißeitig nahmens g[nä]d[i]gster Herrschafft angelegtes Ge- und Verbott despectiret und andere solches despectiren machen.

Ich halte nicht ermangelt, illo tempore, da dieses Ge- und Verbott angelegt, dem anwesenden mitherrschafft[lichen] Vogt, welcher alß Ambtsvogt vorgestellet und prima instantia absq[ue] appella[ti]o[n]e nach dem Ambt Braubach ihm conferirt worden seyn soll, hiervon Nachricht zu geben und denselben zu fragen, ob etwa er odter der Beambte zu Braubach ahn dieses des pastoris procedere Part nehmeten? So wäre [fol. 26r] allenfalß genötiget, dorgegen zu protestiren. Nachdeme aber mit vielen Contestationen gem[elte]r Vogt declarirte, daß er auch das allergeringste von dieser Sach nicht wüste und ihm außer dem wegen einer unter seinen Papieren gefundenen Kirchen-Senioren Aydtsformul, auch auß münd[licher] Rela[ti]on so viel bekandt seye, daß solche Actus-Verrichtungen keinem pastori in Embß competirten und er sich mit der Sache, weilen es Consistorialia und die vor seiner Zeit bereits geschehen /: mit welcher Antwort die Beambte zu Braubach mich à l’ordinaire in ecclesiasic Affairen abzu… pfleget :/ nicht melirete, so kombt es mir doch befrembd vor, daß solch meiner gethanen Com[m]unica[ti]on und eventualen Protestation, auch des Vogts Declaration, ohngeachtet derselbe oder der Beambte zu Braubach sich der Sache nicht mit annimbt, vielmehr Erstgem[elte]r zu denen Leuthen, alß sie sich bey ihm befraget, wie sich zu verhalten, gesagt haben solle, wie sie biß auff S[eine]r g[nä]d[i]gsten Herrschafft Verordnung nur stehen bleiben und Dienste thun könten. Welchemnach dann auß allen diesen Umbständten und bißherigen vielen p[rae]iudicia ich mihr gäntz[lich] und fest perluadire, daß vorgem[elte]r gemeinschafft[liche] Pfarrer Leporinus diese Bestellung derer neuen Senioren nicht vor sich, besondern auff Genehmhaltung oder Befehl der mitherrschafft[lichen] Beambten oder deßen Con- [fol. 26v] -sistorij gethan habe und auff deren Manutenenz sich verlaße, alß durch welche und derg[leich]en Act[us] sie vermeinen, die hochfürst[lich] m[eine] g[nä]d[i]gste alß eintzig und rechtmäßige hießige Landes-Herrschafft dero iurium episcopalium nach und nach zu priviren und der hochfürst[lich] Ihrer g[nä]d[i]gsten Herrschafft zu Heßen-Darmbstatt, alß welche ihr hiesiges dominium nur bloß allein iure hypothecae zu exerciren hatt, solches ius episcopale gäntz[lich] auff solche Art zuzuspielen, folg[lich] dießelbe auff eine hohe Lands-Obrigkeit und m[einem] g[nä]d[i]gsten prima iura nur auff eine Landshochheit und Herrlichkeit zu setzen. Ich lebe aber der zuversicht[lichen] Hoffnung, daß bey gegenwärtig h[och]fürst[licher] Vormundschafft diese Sach dermahlen hinläng[lich] remedijret und principis gekränkt hohe iura, womit es hohe Zeit ist, solvirt undt …tablirt werden. In Erwarttung Verhaltungßbefehl beharre ich in tieffem Respect.

Ew[er] Hochedelgeb[ohrne] Gestr[enge] gehorsahmer … Göedeck …

Embß, den 12ten Jan[uarii] 1715

[fol. 27r] … auch Hochedelgeb[ohrne] und Gestrenge!

Der in litteris gem[elte] Pastor hatt auch kürtz[lich] de novo die hier in der Gemeinschafft Embß recipirte reformirte Unterthanen dahin ernst[lichen] zwingen wollen, daß sie ihre Kindter nicht zu der reformirten, sondern zu der lutherischen Religion erziehen und selbige zu ihm umb in dem lutherischen Glauben sich unterweisen zu lassen, anstrengen wollen mit der Betrohung, daß er wiedrigen Falß durch das Consistorium zu Darmstatt oder die heßen-darmbstättische Beambten sie darzu obligiren wolle. Und weilen auch offtgem[elte]r Pfarrer die seiter dem Jahr 1696 ohnabgehörte Kirchen-Meisterey-Rechnung hinter sich genommen und die Kirchengelder und Capitalien außthut und einziehet ohne dem Ambt oder inspectori darvon die allergeringste Anzeige und Anfrage zu thun, solche Rechnungen auch, obwohlen sowohl ich, alß der H[err] Inspector Vigelius bereits vor etlichen Jahren schrifft- alß münd[lich] wenigstens von iedem Jahr ein Exemplar zu extradiren verlanget, umb unß ein, alß deß andern bevor einer täg[lich] nötig seyende Kirchen-Visitation vorgenommen würde darauß [fol. 27v] informiren zu können, solche nicht herauß geben will und sich unsern bereits no[m]i[n]e g[nä]d[i]gster Herrschafft gethanen schrifft- und münd[lichen] Begehren schnurstracks opponiret und da er auch wie vorgemeldt denen geweßenen Kirchenmeistern ihre noch zur Zeit ohniustificirte Kirchenrechnungen mit allen Urkunden und Manualien weggenommen, einiges Exemplar oder Urkund davon gegen alle Billigkeit nicht extradiren will, weßhalben sich diese und derer theilß verstorbenen Wittiben offt und vielmahls bey Ambt beschwehret und gegen alle künfftige Verantworttung und Schadten protestiret haben, so seynd so wohl ich, alß der Inspector deßhalben Verordnung gewärttig.


Letzte Änderung: 28. April 2019
Ralph Jackmuth